Lotus Esprit Turbo SE der Import eines Traums

Die ganze Geschichte…
„Lotus Esprit für 8.000 Euro“ Vor ein paar Monaten bin ich über dieses Angebot in einer Oldtimerzeitschrift gestolpert. 8.000 Euro für einen Esprit! Was ist hier los?
Als 1990 „Pretty Woman“ in die Kinos kam, hatte ich noch keine Augen für die einmeterzehnlangen Beine von Julia Roberts. Alles, was mich damals an dem Film interessierte, war die kaum höhere Plastikflunder aus England. Und jetzt ist der Wagen erschwinglich.
Im Internet entdecke ich zwei Esprits in der Nähe von Hamburg. Mit dem Mietwagen fahre ich zu der sympathischen und eigentlich auf Muscelcars spezialisierten Truppe von CARlifornia in Trappenkamp. Im Angebot sind eine rote Saugmotorvariante und ein weißer Turbo, beide Baujahr 88.
Da ich mir als Jugendlicher meine Nase nur von außen an wenigen Esprits plattdrücken durfte, ist die Sitzprobe im roten Esprit das erste Mal, dass ich in diesem Tiefgeschoss Platz nehme. Als einmeterfünfundachzig großer Sitzriese passe ich gerade so hinein. Dass ich, um die Instrumente zu sehen, leicht gekrümmt sitzen muss, werde ich in diesem Wagen immer in Kauf nehmen.
Die von Peter Stevens überarbeitete Giogiaro-Karosserie kann durch nichts entstellt werden, nicht einmal von dem ins Orange tendierende und in den späten 80ern leider sehr beliebten „Calypso Red“. Von dem roten Sauger im Verkaufsraum kann ich mich bereits schwer trennen.
In einer Abstellhalle, hinter etlichen Reifen und Kanistern, steht der weiße Turbo. Er ist schmutzig, der Klarlack abgeplatzt, und er springt nicht an. Aber er ist einfach geil.
Der Azubi wird beauftragt, den Motor wieder zum Laufen zu bringen. Wir erreichen gerade wieder den Verkaufsraum da meldet der Lehrling bereits Vollzug.
Wieder beim Turbo angekommen, hat das weiße Biest aller Political Correctness und Ökodiktatur zum Trotz bereits die ganze Halle vollgegast, und dabei ist der Motor bereits ausgestellt. Als die Maschine wieder startet, werden meine “Kein-Kat-Sorgen“ von einem „Ich-will-haben-Reflex“ weggeblasen.
Doch bevor ich den Turbo mit Vergasermotor kaufe, überredet mich meine Freundin, nicht ganz uneigennützig, mein Glück in England zu suchen. Schließlich wohnen wir in Berlin in einer Umweltzone und dafür braucht jeder „Nach-Baujahr-80-Esprit“ einen Katalysator.
Mit dem One Way Ticket einer Billigfluglinie fliegen Eva und ich nach London. Unsere erste Station ist ein Zweimann-Betrieb in Essex, der sich auf das Instandsetzen der Kevlarkarosserien von Lotus und TVR spezialisiert hat. Der Chef, Mark, bietet einen 88er Vergaser-Turbo und einen 91er Turbo SE mit elektronischer Einspritzung und Lambdasonde an. Der serienmäßige Katalysator des silbernen SE musste einer Sportauspuffanlage, die bereits im Standgas nach einem Didgeridoo-Orchester klingt, weichen. Anscheinend sind die königlichen Umweltauflagen nicht ganz so streng.

Wir machen Probefahrten in beiden Fahrzeugen. Natürlich darf ich nicht gleich hinters Steuer, Mark lässt da nicht mit sich reden. „Vor zwei Wochen ist ein deutscher Kunde vor Begeisterung gleich auf die rechte Spur gerast.“
Als ich aus dem Esprit SE steige, der auch noch über eine leistungsfördernde Ladeluftkühlung verfügt, ist es um mich geschehen. Trotz intensiver Verkaufsvorbereitung und vor dem Spiegel geübten Verhandlungsenglisch sage ich, ohne auch nur einmal unter das Auto zu schauen, dass ich es haben muss. Mit leuchtenden Augen frage ich Mark, was das beste Angebot ist, das er machen kann. Mit einem kühlen Lächeln antwortet er: „Natürlich die 10.000 Pfund, die ich bereits am Telefon erwähnt habe.“
„Okay, aber vorher muss ich einmal selbst gefahren sein.“ Er willigt ein. Da der Wagen ja schon warm gefahren ist, frage ich Mark, ob ich einmal richtig Gas geben kann.
Im zweiten Gang und bei 2.000 Umdrehungen passiert beim Kickdown erstmal wenig. Nach einer Sekunde hat die Ladedruckanzeige aber die 0,7 Bar erreicht und der Wagen schießt los. Blitzschnell wird die englische Landstraße zu einem willkürlich hingeworfenen Asphaltspagetti und Mark schreit: „Max! Stop it! Stop it!“ Eigentlich will ich spätestens bei 6.500 Umdrehungen vom Gas. Nur – ich kann einfach nicht. Und der rote Bereich fängt erst bei 7.400 Umdrehungen an. Was für ein Renntriebwerk! 7.400 Umdrehungen mit Turboaufladung. Das schaffen selbst die besten Motoren von heute kaum.
Für den nächsten Tag vereinbaren wir die Übergabe. Am Abend treffe ich einen Bekannten, der in England lebt und dem ich 5.000 Pfund überwiesen habe. Er überreicht mir einen fetten Umschlag voller Geld; denn die größte britische Währungsnote ist ein 50 Pfund-Schein.
Mit meinen eingelösten Traveller-Checks, dem getauschten Stapel Euros, den ich dabei hatte, Evas und meinen EC- und Kreditkarten komme ich gerade so auf 10.000 Pfund in ca. 400 Fünfzigern und Zwanzigern. Der Geldstapel erinnert an einen Drogendeal.
Am Morgen in Marks winzigem Bürocontainer jagen wir das ganze Geld durch eine uralte Zählmaschine, die die ersten Scheine gleich in der Luft verteilt. Der Vertragsabschluss besteht aus einem handgeschriebenen Fünfzeiler und einem festen Händedruck.
Von Mark aus fahren wir direkt nach Dover. Ich muss mich die ganze Zeit beherrschen, nicht ständig Vollgas zu geben. Kurz vor der Küste wird die Straße immer kurviger, und in einer langgezogenen Bergablinkskurve mit Meerblick komme ich mir vor wie James Bond mit dem Beißer im Nacken, nur dass ich nicht vorhabe meinen Lotus in ein U-Boot zu verwandeln.

In Dover vor der Fähre frage ich einen weißhaarigen Engländer, ob er ein Foto von uns machen kann, während wir Fish and Chips vom Heckspoiler essen. Grinsend und mit sehr britischem Akzent fragt er mich: „Do you know what Lotus means?“ – Keine Ahnung. Und mit noch breiterem Grinsen gibt selbst die Antwort: „Lots Of Trouble Usually Serious!” Dann drückt er mir noch eine Visitenkarte von seinem Freund Barry in die Hand, dem er auf der Festlandseite einen uralten Jaguar übergeben wird. Mit freundlicher Miene fügt er hinzu: “And if you have any problems, ask Barry, he will help you.”

Von Calais aus geht es noch ein paar Kilometer durch Frankreich, über die beleuchtete belgische Autobahn und die Niederlande nach Westfalen zu meinen Eltern.
Unterwegs müssen wir als Nichtraucher an einer Tankstelle auch Zigaretten kaufen. Der Wagen mit seinen zwei Sitzen und zwei Zigarettenanzündern verführt einen einfach zum Rauchen, oder wie mir gesagt wurde: „Max, in der Karre musst du immer rauchen!“
In der Doppelhaushälftensiedlung meiner Eltern angekommen, wirkt der Turbo SE so passend wie Superbenzin zum Kaffeekränzchen. Im Wagen sitzend höre ich die eigens für den Lotus erstandene Dub Spencer and Trance Hill CD. Die Idee, in Falcos „Jeany“ eine amerikanische Polizeisirene reinzumischen, gefällt mir. Als der Titel zu Ende ist und die Sirene noch immer läuft, bemerke ich auch endlich meinen Vater, der wie wild an die Scheibe klopft. Die Ultraschallüberwachung der Alarmanlage funktioniert also noch.
Um dem deutschen TÜV zu genügen und die grüne Umweltplakette zu erhalten, muss leider das Didgeridoo gegen eine Katalysatoranlage getauscht werden. Zusätzlich müssen die Lichter auf Rechtsverkehr umgebaut werden. Für beides fahre ich zu den Esprit-Spezialisten nach Wiesbaden, Kasseler Berge bei Sonnenaufgang inklusive.
Den Lotus-Experten fällt auf, dass der Wagen mit 0,7 Bar nicht in den kurzzeitigen Overboost kommt und somit noch nicht voll leistungsfähig ist. Dieses Problemchen wird beseitigt und der Turbodruck wächst auf 1 Bar.
Derartig bewaffnet war ich noch nie und komme gerade noch rechtzeitig zu einer Geburtstagsfeier nach München, wo der Lotus erstmal versucht, mit seinem Sub-Zero-Schraubenfahrwerk den Tiefgaragenboden aufzureißen.

Die 600 km von München zu meinem Ziel, Berlin werden trotz der endlosen A9 zum Vergnügen; denn im Fränkischen hat diese Autobahn ein paar schnelle Feuchtehandkurven zu bieten.
Endlich ist mein Wagen in meiner Heimat angekommen, aber noch liegen der deutsche TÜV und die Behörden vor uns.
Der erste Versuch geht auch prompt schief; denn es fehlt das technische Datenblatt. Über eine kleine Lotus Engineering Zweigstelle in Deutschland gelange ich zu dem zuständigen Dateningenieur von Lotus Cars in Norfolk, der mir tatsächlich die passenden Papiere für den Wagen schickt. Zusammen mit einem Referenzfahrzeugbrief aus Wiesbaden und neuen Reifen in Spezialmischdimensionen reicht es, die TÜV-Bedingungen und die EURO1 – Norm zu erfüllen.
Die erste Versicherung, die ich komtaktiere will den Wagen nicht gleich versichern. Der leider nicht mögliche Vollkaskopreis von 4.500 Euro pro Jahr lässt die freundliche Sachbearbeiterin und mich gemeinsam am Telefon lachen. Die zweite Versicherung kann mir nach Rücksprache mit einem Autoexperten, der sich entfernt an einen Esprit erinnern kann, und dem Einwilligen des Abteilungsleiters, einen akzeptablen Teilkaskotarif anbieten.
Straßenverkehrsamt in Kreuzberg fünf Minuten vor der Öffnungszeit und hundert Meter Schlange. Die Bruttosozialprodukt vernichtende Wartezeit von drei Stunden lässt sich gut überbrücken; denn ich lerne den Präsidenten eines Lotus-Super-7 Clubs kennen, der mich an meinem gelben Nummernschild erkannt hat.
„Na, auch eine Elise aus England überführt?“
„Nein, einen Esprit.“
„Respekt.“
Und Gespräch.
Als ich dran bin und mit meinen ganzen Papieren und den Nummernschildern die freundliche Dame vom Amt frage, ob ich diese behalten darf, wird dies korrekter Weise erstmal verneint. Wir einigen uns darauf, dass wenn ich das gelbe Schild behalte, ich das Weiße selbstständig entsorge. Auf die Frage, ob ich deswegen ins Gefängnis komme, antwortet sie: „Sie nicht. -Aber ich.“
Nach dem Einkauf bei der Nummernschildmafia vor dem Straßenverkehrsamt noch mal eine Stunde Wartezeit, dann die deutschen Papiere und meine Frage an die freundliche Beamtin: „Muss ich jetzt noch etwas machen?“
„Jetzt müssen Se sich nur noch rinsetzen und losfahren.“


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